#rettetdenvorgarten - Die kritische Spalte

17. Juni 2017- Journalisten dürfen in diesem Land Preisgelder entgegennehmen. Diese Tradition stammt aus den USA, wo der sogenannte und auch hier bekannte Pulitzer-Preis als wichtigste und älteste Institution in diversen Sparten vergeben wird, um hervorragende journalistische Arbeiten zu würdigen. Dabei spielt das Thema der Publikation dort keine Rolle. Eher ist es erforderlich, dass die Arbeit einer bestimmten Kategorie oder einem journalistischen Format zuzuordnen ist, wie dem Kommentar oder dem Leitartikel. Sicherlich ist jedoch interessant, wie hoch die Reichweite eines Textes (oder einer Sendung) ist, wie oft dieser zitiert wird und welchen spürbaren Beitrag dieser zu einer bestimmten Debatte leistet. Was in den USA seit 1917 Tradition ist, kam im deutschsprachigen Raum erst in den 60ern zögerlich auf. Wer kennt schon den Theodor-Wolff-Preis, vergeben seit 62, oder den seit 64 verliehenen, österreichischen Dr.-Karl-Renner-Publizistikpreis? Da musste erst 2005 Henri Nannen als Namensgeber herhalten, um das Thema Wettbewerbspreis für journalistische Publikationen einem breiteren Publikum bekannter zu machen. Leider erwiesen sich Verwaltung, Organisation und die alljährlich in Hamburg stattfindenden Feierlichkeiten als so kostspielig, dass man sich ab 2016 entschloss, keine Preisgelder mehr zu zahlen.

Warum sollte der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e.V. (BGL) nicht auch einen eigenen Journalistenwettbewerb ausschreiben? Ja, werden sie vielleicht denken, endlich! Immerhin leben wir in Zeiten, wo die Gartenthemen eher stiefmütterlich und – wenn überhaupt –  üblicherweise unter Stil, Wohnen oder Lokales ab gefrühstückt werden. Wer würde die Gartenkultur ernsthaft mal im Feuilleton erwarten? Und im TV, dem Medium für die ältere Zielgruppe, jagt derweil eine fragwürdige Kochsendung die nächste. Die Kochformate kommen einem schon vor, wie Castingshows für Moderatoren und Köche, seltener Köchinnen, die als Allzweckwaffen bei Gelegenheit zu allem ihnen eher milden Senf beisteuern. Es fehlt noch, dass ein Koch eine Sendung über Gärten moderiert. Zuzutrauen wäre es zum Beispiel dem WDR.

Aber zurück zur Gartenpropaganda. „Rettet den Vorgarten“ lautet das Motto einer Initiative des BGL, die dazu führen soll, „dass Hausbesitzer den Wert der Fläche vor dem Gebäude für sie selbst, aber auch für die Nachbarschaft, die Atmosphäre im direkten Lebensumfeld und das Stadtbild wieder schätzen lernen und mit Pflanzen gestalten wollen.“ [sic] Das klingt auf der Verbandswebseite zwar etwas holprig, aber wissen wir nicht alle, was gemeint ist? Prämiert werden sollen im Rahmen des Medienpreises journalistische Beiträge zu den Themen „Gestaltungsvorschläge oder auch gelungene und weniger gelungene Gestaltungsbeispiele, ökologische, soziale oder kulturelle Aspekte, die vielfältigen Folgen der „Verschotterung“ der Vorgärten, die Bedeutung des Vorgartens für das Straßenbild, für das Klima in einer Stadt“. [sic] Der beste Beitrag erhält immerhin 2.500 von insgesamt 5.000 Euro Preisgeld. Bevor Sie nun über Moral oder gar ethische Fragen eines solch ausgeschriebenen Preises nachdenken, sollten Sie nicht außer Acht lassen, dass es um eine gute Sache geht und die Ausschreibung ja keine Richtung der Beiträge vorgibt. Es steht eher zu befürchten, dass ein bestimmter Menschenschlag sich auch zukünftig jede Bevormundung oder Belehrung verbieten wird. Machen Sie Ihren Vorgarten, aber verwenden Sie dazu keinen Kies oder Schotter!

Es ist völlig in Ordnung, ein Problem auf Abnehmerseite anzugehen. Insbesondere, wenn die Kampagne eine derartige Reichweite erzielt. Respekt! Ein Blick auf die Ausbildungsbetreibe im GaLaBau und Berufsschulen offenbart allerdings, dass die jungen Leute heute Bobcat oder Bagger fahren wollen. Sprechen Sie einmal mit Berufsschülern, die Landschaftsgärtner, Gärtner oder Friedhofsgärtner lernen. Pflanzen interessieren sie nicht mehr. Warum sollten sie auch etwas lernen, was die Kunden nicht mehr verlangen? Wir werden hoffentlich nicht erst auf die Verrentung dieser verlorenen Generation Gärtner warten müssen, damit Vorgärten wieder erblühen.


Dieser Kommentar erschien in „Die kritische Spalte“ des Magazins Gartendesign Inspiration 6 | 2017.


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