Strategietypen: Von Sprintern, Platzhirschen und Spezialisten
Wortwahl als Strategie (über die Strategietypen nach Grime)
Von Torsten Matschiess und Till Hofmann
Das Square Foot Border des niederländischen Planers John Schoolmeesters ist ein ausgewogener Mix, der sich beliebig skalieren lässt. Der Verzicht auf Platzhirsche, Spezialisten und Sprinter bewahrt dieser Begleitpflanzung eine feine Dynamik, die mit Stress und Störungen bis zu einem gewissen Grad gut zurechtkommt. Erst bei Extremen wird Pflege erforderlich, um die Attraktivität zu bewahren. Ausgeglichene (CSR) wie Stachys officinalis ‘Hummelo’ und ‘Rosea’ sind mit Performern (CR) wie Echinacea purpurea ‘Pica Bella’ und Wüchsigen Spezialisten (CS) wie Sedum telephium ‘Munstead Purple’, Sesleria autumnalis und S. heufleriana kombiniert. Dazu kommt noch ein Spezialist für extreme Standorte (S-CS), die Allium-Hybride ‘Summer Beauty’. (Foto: Torsten Matschiess)
Die Pflanzenverwendung braucht eine ordnende Strukturierung der pflanzlichen Vielfalt, um mit dieser sinnvoll arbeiten und gestalten zu können.
Neben naheliegenden Merkmalen wie Blütenfarben, Blütezeiten, Textur, Aufwuchshöhe, Wuchsform, Lebensform und weiteren werden die Stauden bereits seit den Siebzigerjahren sehr erfolgreich nach ökologischen Kriterien in die durch Hansen/Stahl/Müssel etablierten Lebensbereiche sortiert. Infolge der Klimaveränderung werden diese teilweise extremer und verlangen mehr denn je eine optimale Pflanzenauswahl. Die Herausforderung liegt neben möglichst passgenauer Standortbezogenheit auch in der Komplexität der Entwicklungsdynamik. Stauden verhalten sich höchst unterschiedlich, selbst am vermeintlich richtigen Platz. Manche scheinen berechenbar, andere weniger, wie erklärt man das? Die Botanik, aber auch andere Wissenschaften machen es uns gärtnernden Menschen nicht immer leicht. Ihre Modelle und Erkenntnisse sind oft zu sehr ausdifferenziert und komplex, wirken gerne auch zu abstrakt für die Praxis.
Das erschwert ihre Akzeptanz und Anwendung in der zeitgenössischen Pflanzplanung.
Von der Theorie …
Das wissenschaftliche Modell der „Pflanzenstrategien“ geht auf den jüngst verstorbenen Botaniker John Philip Grime zurück. Dabei stehen die Reaktionen einer Pflanzenart auf unterschiedliche Qualitäten des Standorts im Fokus. Kein anderes Modell erklärt besser das Verhalten der Pflanzen in Raum und Zeit.
Die meiste Zeit hat der Ökologe an der Universität von Sheffield geforscht und gelehrt. Gemeinsam mit Simon Pierce entwickelte und publizierte er in den 1970er- Jahren die „Universal adaptive strategy theory“ mit dem bekannten „C-S-R Triangle“.
Die Ecken eines gleichschenkligen Dreiecks symbolisieren die drei als Reinformen eher seltenen (Über-)Lebensstrategien von Pflanzen. Die Positionierung einer Art in diesem Dreieck beschreibt, in welchem Ausmaße sie jede der drei im Folgenden beschriebenen Strategien nutzt, um kurz- bis langfristig in den Disziplinen Wachstum, Überleben und Fortpflanzung zu bestehen, oder anders formuliert, wie gut und auf welche Weise sie auf die Widrigkeiten des Lebens reagieren kann. Je nach Positionierung werden Arten den Reinformen zugeordnet oder den verschiedenen Mischungen von Strategien.
Wie andere Modelle wird dieses sicherlich nicht jeder individuellen Pflanze, schon gar nicht all den Hybriden gerecht. Das Wissen um diese Theorie kann uns – immer in Kombination mit anderen Faktoren, wie dem richtigen Standort in Bezug auf Licht, Nahrung und Wasser –, dabei helfen, nachhaltigere Pflanzungen zu entwickeln und mit diesen umzugehen, denn es geht immer auch um die Pflege.
… zur Praxis
Wer die Strategie einer Art kennt, versteht besser, warum diese in einem Kontext lästig werden kann, in einer anderen Beetsituation hingegen mit der Zeit verschwindet. Auch lässt sich die Pflege oft deutlich verringern, wenn man die natürliche Dynamik zwischen Pflanzpartnern kennt und sich zunutze macht. Nichts anderes machen bestimmte Gärtner, die ständig Variationen ihrer bewährten Lieblingskombinationen pflanzen. Wer die Strategietypen eines Pflanzplans und die lokalen Gegebenheiten kennt, kann – solange das Wetter mitspielt – ziemlich zuverlässig den zukünftigen Pflegeaufwand und die Langlebigkeit bzw. Entwicklung der Pflanzung prognostizieren.
Obwohl die Strategietypen seit Jahren diskutiert und in Ansätzen auch gelehrt werden, ist es erstaunlich, wie wenig das Thema in der Praxis angekommen ist. Dabei nützt diese Theorie dem Pflegegärtner ebenso wie dem Planer. Bestärkt wird dieser Mangel durch die spärliche und unübersichtliche deutschsprachige Literatur zum Thema. Nicht nur die Bücher von Grime, sondern sogar sämtliche Wikipedia-Artikel zum Thema wurden bezeichnenderweise bisher nicht ins Deutsche übersetzt. Das erschwert den Zugang für viele, die dann auf eine zumeist vereinfachende Sekundärliteratur angewiesen sind. Dabei könnten nicht nur in der Vereinfachung, sondern auch in einer angemessenen Übersetzung Lösungen zur leichteren Anwendung bestehen. Um das Potenzial, welches im besseren Verständnis vom pflanzlichen Verhalten liegt, für Planung und Pflege besser auszuschöpfen, schlagen wir vor, die unübersichtlichen Buchstabenkombinationen aus dem Triangel-Modell durch griffige und charakterisierende Schlagwörter zu ergänzen. Die zentralen Eigenschaften der betreffenden Pflanzengruppen sollen so für den Praktiker spontan verständlicher werden.
Platzhirsche (competitor, C, C-Strategen)
Fangen wir mit den reinen Strategieformen und ihrer Begrifflichkeit an. „The competitor“ („C“) bedeutet Wettbewerber oder Konkurrent, was im deutschsprachigen Raum bereits der „Konkurrenzstratege“ war. Das scheint noch sehr verständlich zu sein, zumal Gärtnernde zwei wohlbekannte Vertreter dieser Gruppe kennen: Die Große Brennnessel (Urtica dioica) und ihr Komplize, der Gewöhnliche Giersch (Aegopodium podagraria). Während die Brennnessel gerade in Beeten mit produktiven Böden und guter bis übertriebener Nährstoffversorgung kaum zu bändigen ist, kann der niedrigere Giersch mit den richtigen Pflanzpartnern etwas leichter akzeptiert werden. Gerade schneckenresistente Konkurrenzstrategen sind hier die beste Wahl.
Im völlig mit Giersch durchsetzten Garten benötigen wir schneckenresistente Platzhirsche (C) Aconogonon sp. ‘Johanniswolke’, Miscanthus sinensis ‘Red Chief’ und Helianthus salicifolius var. orgyalis, Performer (CR) Kalimeris incisa und Nachhaltige Performer (C-CR) Sanguisorba-Hybride ‘Blackthorn’ und Ausgeglichene für die Fläche (C-CSR) wie Salvia glutinosa. Bis zum Einwachsen benötigen sie alle eine gewisse Starthilfe, das heißt Gierschrückschnitt. (Foto: Torsten Matschiess)
Allerdings sind wir mit der Begriffswahl „Konkurrenzstratege“ unzufrieden, da sämtliche Pflanzen in Konkurrenz um die verfügbaren Ressourcen stehen, selbst zwei Kuhschellen auf einer Düne. Für konkurrenzstarke und langlebige Dauerstauden mit breiter Standorttoleranz und ausgeprägter Neigung, längerfristig im Bestand dominieren zu „wollen“, ist der Begriff „Platzhirsch“ viel besser geeignet.
Einige bekannte Planer verwenden in ihren Pflanzungen mit Vorliebe Vertreter dieses Strategietyps. Das ist kein Wunder, denn Platzhirsche erweisen sich als sehr langlebig, planungs- und standorttreu, sodass sich Pflanzungen über die Jahre kaum verändern. Der Plan bleibt lange sichtbar. Allenfalls prägen sich ihre Strukturen mit dem Einwachsen der Stauden immer deutlicher aus und mit der Zeit setzen sich, auch dank nachlassender Pflege stärkere Typen immer weiter durch. Schließlich heißt ihr Konzept kontinuierliches Wachstum und Verdrängung, wobei die meisten in ihrer schüchternen Anfangsphase oft selber Konkurrenz nur schlecht vertragen.
Ein Treffen der Platzhirsche (C) Heliantus salicifolius, Miscanthus sinensis ‘Haiku’ und Eutrochium fistulosum ‘Album’, ‘Glutball’ und deren Sämlinge auf einer frischen Freifläche. Wer setzt sich in dieser Sichtschutzsituation langfristig durch? (Foto: Torsten Matschiess)
Auf lange Sicht dominieren die Platzhirsche auf normalen bis guten Standorten ohne wesentliche Störungen und bei wenig oder nur kurzzeitig auftretendem Stress. Kennzeichnend ist ebenso die hohe Standortamplitude, also die Fähigkeit der „Platzhirsche“ auch an suboptimalen Standorten zumindest zu überleben und mit Standortspezialisten zu koexistieren. An solchen Stellen fallen die Platzhirsche als solche nicht weiter auf. Selbst Brennnesseln kümmern vor sich hin und der Giersch verzieht sich hier zu Beginn des Sommers, um im Frühjahr zuverlässig wieder auszutreiben. Tatsächlich verzeihen Platzhirsche so manchen Pflanzfehler.
Werden die Wuchsbedingungen wieder „besser“, nimmt ihr Erfolg zu, bei sich verschärfendem Stress ist jedoch irgendwann Feierabend. Dann kann eine länger anhaltende Stresssituation oder eine ausgeprägte Störung während der Hauptwachstumszeit auch den dominantesten Stauden ein Ende bereiten. Eine Nacktschnecken-Invasion kann schon zu Beginn des Austriebs innerhalb kürzester Zeit ganze Bestände der Platzhirsche Purpur-Dost (Eutrochium, Syn. Eupatorium fistulosum) oder Weidenblättrige Sonnenblume (Helianthus salicifolius) vernichten, insbesondere, wenn die Schnecken unter dem Schutz von deutlich früher austreibenden Stauden agieren, wie Giersch oder Wald-Meister (Galium odoratum). Auch wiederholter Spätfrost oder törichtes Herumtrampeln bei einem Sommer-Event bringen stolze Platzhirsche in die Existenzkrise. Andererseits hat man ein probates Mittel gegen unerwünschte Platzhirsch-Vegetation: Eine Totalmahd in der beginnenden Vollblüte (jetzt hat die Pflanze maximal investiert), schwächt auch hartgesottene Bestände der Kanadischen Goldrute, selbst Brombeeren lassen sich so innerhalb weniger Jahre giftfrei beseitigen.
Typische Vertreter dieser Gruppe sind Aconogonon sp. ‘Johanniswolke’, Garten-Reitgras (Calamagrostis acutiflora, syn. Calamagrostis ×acutiflora), Eutrochium fistulosum, Helianthus salicifolius, Kandelaberehrenpreis (Veronicastrum virginicum), Himalaja-Wolfsmilch (Euphorbia griffithii), Chinaschilf (Miscanthus sinensis), starkwüchsige Auslesen von Asiatischer Wild-Aster (Aster ageratoides), Weiderichen (Lysimachia spp.) und ähnliche Verdränger.
Sprinter (ruderal, R, R-Strategen)
„The ruderal“ wird gemeinhin mit Ruderalstratege übersetzt, um anzudeuten, dass sich diese Pflanzen mit Vorliebe auf rohen Böden ohne Bewuchs ansiedeln, wie sie nach Erd- und Geröllstürzen (lat. „rudus“ = zerbröckeltes Gestein, Geröll, Schutt) entstehen oder nach einem zerstörenden Eingriff in den vorhandenen Bewuchs, zum Beispiel durch Überschwemmungen oder Feuer. Auch frisch ausgebrachter Mutterboden in einem Beet stellt eine Ruderalfläche dar. Daneben kennen wir zahlreiche Eingriffe gärtnerischer Natur, wie das Entfernen von Rasensoden, Jäten oder das Arbeiten mit Hacke, Schaufel oder Kultivator. Alles typische Tätigkeiten (Störungen), die offene Böden verursachen und im eingewachsenen Garten, zur rechten (!) Zeit ausgeführt, den Ruderalstrategen (störungstolerante Pflanzen) dabei helfen, sich zumeist durch Selbstaussaaat oder Keimung der im Boden angelegten Samenbank im Beet zu halten. Dabei legen die meisten eine enorme Wuchsgeschwindigkeit an den Tag. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit, bis die auf Dauer stärkeren Platzhirsche zur Stelle sind. Diesen Kurzstreckenwettlauf gewinnen die „Sprinter“. Neben dem Laufsport nennt man auch im Radsport jene Fahrer so, die auf einer flachen Etappe ein hohes Tempo vorlegen und vor dem Ziel ausreißen, um auf der langen Gesamtstrecke, eher den ausdauernden Fahrern zu dienen und ihnen die Plätze zu überlassen. In der Regel handelt es sich hierbei um sehr kurzlebige Stauden sowie Zwei- und Einjährige, deren Konzept in einer schnellen und möglichst hohen Samenproduktion liegt, um nach Störungen schnell zu keimen.
Leider werden Sprinter bei der Planung langfristiger Pflanzungen noch viel zu selten berücksichtigt, obwohl sie durch Sommerflor-Projekte und die aktuell so beliebten, meist einjährigen „Wiesenmischungen“ wohlbekannt sind. Auch wenn sich durch ihre Verwendung die Pflege zu Beginn reduzieren lässt, ist es auf besseren Gartenböden kaum möglich, diese Bestände durch gezielte Pflege, also Störungen, länger als ein bis zwei Jahre zu erhalten, eben weil hier der Platz durch die „Hirsche“ beansprucht wird. Am längsten halten sie sich an den Beeträndern, wo erstens mehr Licht den Boden erreicht und meist auch mehr (in Form von Pflege) gestört wird.
Interessant sind Sprinter als initialer Bestandteil einer jungen Pflanzung sowie als Selbstreparaturservice nach einer Dürreperiode, wenn sie Lücken im Bestand selbstständig besiedeln.
Typische Vertreter im Garten sind spontane, keineswegs immer erwünschte Bestände von Vogel-Miere (Stellaria media), Einjährigem Rispengras (Poa annua), Drüsigem Reiherschnabel (Erodium lebelii), Feld- und Efeu-Ehrenpreis (Veronica arvensis und V. hederifolia), Sichelblättriger Wolfsmilch (Euphorbia falcata), Schwarzem Nachtschatten (Solanum nigrum), Purpurroter Taubnessel (Lamium purpureum), Einjährigem Ziest (Stachys annua), Hirtentäschelkraut (Capsella bursa-pastoris) und Staudengärtners Lieblingsfeind,
dem Behaarten Schaumkraut (Cardamine hirsuta).
Nur wenige Vertreter der Sprinter schaffen es in die Sortimente der Staudengärtnereien, weil sie als gartenwürdig anerkannt sind oder jedenfalls zukünftig im Sinne des „Black-Box-Gardening“ eine Rolle finden sollten: Leinkräuter wie Linaria arvensis und L. tristis, diverse Lichtnelken (Lychnis ssp.), Nelken-Leimkraut (Silene armeria), Rundblättriges Hasenohr (Bupleurum rotundifolium), Silberblatt-Salbei (Salvia argentea), Präriesonnenhut (Ratibida columnifera) oder Aufrechte Nachtkerze (Oenothera stricta).
Spezialisten (stress-tolerator, S, S-Strategen)
In Regionen, in denen es im Sommer vier Monate und länger nicht regnet, überleben nur bereits etablierte Spezialisten (Stresstoleranzstrategen) ohne zusätzliche Wassergaben. Dies ist in mediterranen Regionen gut zu beobachten, in Mitteleuropa finden die verschiedenen Spezialisten ihre Nischen in flachgründigen Trockenrasen, auf Felsbändern, alpinen Matten, in Mooren, nährstoffarmen Gewässern und unter alten Bäumen. Die Anpassungen an solche Spezialstandorte sind stets sehr eng. Es ist eben eine echte Spezialisierung, die nur am jeweils passenden Standort erfolgreich sein kann. Pflanzfehler werden nicht toleriert.
Echte Spezialisten weichen der Konkurrenz aus, hier Sempervivum in einer Mauerfuge. (Foto: Till Hofmann)
Abstrakt betrachtet gilt es, den Stress im botanischen Sinne zu sehen, der hier einen echten Mangel von Ressourcen bedeutet. Ressource ist dabei alles, was die Pflanze zum Leben benötigt, wie Licht, Wärme, Wasser und Nährstoffe. Dabei kann auch das Zuviel einer Ressource Stress bedeuten, also zu viel Licht und Wärme in ehemals beschatteten Partien nach dem Fällen von Bäumen oder der Anstieg des Grundwasserspiegels, der zum Ausfall ganzer Eibenhecken führen kann. Für die Abgrenzung zur Störung kommt es darauf an, ob zum Beispiel durch den Wasseranstieg Biomasse der Pflanzen vernichtet wird. So ist eine Belastung durch Schädlinge, wie Pilze oder Bakterien noch Stress, während ein völlig zerstörerischer Schneckenfraß eher als Störung verstanden wird.
Der Begriff „Spezialist“ wird bereits oft für diesen Strategietyp verwendet und kann als „eingebürgert“ gelten. Das Sortiment der Spezialisten ist sehr breit.
Es reicht von Spezialsortimenten alpiner Stauden bis zu den typischen Steingartengewächsen: Teppich-Schleierkraut (Gypsophila repens), Kugelige Wirbel-Steinwurz (Jovibarba sobolifera), Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris) und diverse Thymian-Arten (Thymus spp.) zählen zu den bekanntesten. Man erkennt sie an ihren Investitionen in Sicherheit wie relativer Kleinheit, an Schutzvorkehrungen, wie ledrigen, behaarten und reflektierenden Oberflächen, kompaktem Wuchs und ausgeprägten Reserveorganen – alles bewährte Skills zur Speicherung und Schonung von Ressourcen. Daneben helfen tief reichende Wurzeln beim Erschließen von für andere Pflanzen nicht erreichbarem Wasser. Ein interner Nährstoffkreislauf oder -speicher hilft, einmal ergatterte Nährstoffe in der Pflanze zu halten. All diese Vorkehrungen machen die Pflanzen eher langsam, dafür können viele alt werden.
Natürlich gibt es auch Spezialisten für feuchte Standorte, man betrachte das Moor- und Wasserpflanzensortiment für oligotrophe (nährstoffarme) Gewässer oder für frische Schattenplätze wie viele kleinwüchsige Seggen (Carex spp.), immergrüne Farne und verschiedene Veilchen-Arten (Viola spp.).
Mischtypen
Den weitaus höheren Anteil im Staudensortiment verbuchen die verschiedenen Mischtypen, bei denen zwei bis drei Hauptstrategien gleich oder unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Auch wenn eine Abgrenzung dieser Mischformen willkürlich erscheint und so manche bereits vorgenommene Einordnung nicht ganz den eigenen Erfahrungen entspricht, lassen sich doch einige Gruppen von Typen mit gemeinsamen Eigenschaften zusammenstellen.
Gerade hier scheint die Benennung bislang problematisch, da die Bezeichnungen sehr abstrakt gehalten sind. Es sind Kombinationen aus den wichtigen Grundtypen C, S und R (Platzhirsch, Spezialist und Sprinter), wie bei den CS-Strategen, deren Eigenschaften deutlicher ausgeprägt sind als bei CS-CSR-Strategen, die sich mehr im ausgewogenen Zentrum des Dreiecks lokalisieren lassen.
Hand aufs Herz! Wer kann diese Sätze spontan verstehen, blickt noch durch oder kennt gar, ohne lange zu überlegen, den Unterschied zwischen CR-CSR- und CR-Strategen? Oder wie sieht es bei C-CSund CS-Strategen aus? Wohl kaum jemand würde widersprechen, wenn sich hier neue, eingängigere Begrifflichkeiten durchsetzen würden.
Performer (CR-Strategen)
Die „Performer“ sind zumeist üppige, blühfreudige Prachtstauden, welche die Eigenschaften von Platzhirschen mit denen der Sprinter kombinieren, also einer schnellen Wüchsigkeit von Anfang an, gepaart mit relativer Durchsetzungskraft. Gartenschauen sind voll davon. Es sind aber auch die typischen Pflanzen, von denen Anwender immer berichten, dass sie nach einer guten Anwachsphase auf guten Gartenböden nach wenigen Jahren plötzlich rückwärts wachsen. Was ihnen fehlte, war traditionelle Kulturarbeit: das Teilen der Stauden durch Abstechen im Boden oder ein Aufnehmen, Teilen und Neupflanzen zur regelmäßigen Verjüngung. Das ist besonders wichtig bei sterilen Stauden, wie der Agastache-Hybride ‘Blue Fortune’, während sich andere Duftnesseln wie Agastache rugosa ‘Alabaster’ oder die elegante Agastache nepetoides immerhin aussäen können müssen, um am Standort zu verbleiben. Wer hier konsequent jätet oder gar hackt, erspart sich diesen Genuss. Das gilt auch für so manchen monocarpen (nach der Blüte absterbenden) oder kurzlebigen Doldenblütler, wie die Gattung der Engelwurze (Angelica), deren Samen nach der Blüte schnell ihre Keimfähigkeit verlieren. Sie benötigen direkt nach der Samenreife offene Böden, und beim Jäten müssen die Jungpflanzen erkannt werden.
Dank der enormen Niederschläge in diesem Sommer werden der Performer (CR) Morina longifolia und die Ausgeglichene (CSR) Nepeta ×faassenii ’Walker’s Low’ in dieser mit Stauden bepflanzten Wiese auf sandigem Boden von heimischen Gräsern bedrängt, was einen nicht geplanten Pflegegang mit der Handsichel erforderte. (Foto: Torsten Matschiess)
Weitere typische Performer sind Astern wie Symphyotrichum novi-belgii, S. pilosum var. pringlei und S. laeve, Scheinsonnenhut (Echinacea purpurea) sowie Kugeldisteln (Echinops sphaerocephalus), ferner Prachtscharte (Liatris spicata), Ruten-Weiderich (Lythrum virgatum), Indianernesseln (Monarda sp.), Goldbaldrian (Patrinia scabiosifolia), Hummelschaukel (Salvia uliginosa) und nicht zuletzt die Akeleiblättrige Wiesenraute (Thalictrum aquilegifolium).
Performer (CR), Nachhaltige Performer (C-CR) und Platzhirsche (C) lieben die Show und machen was her – die perfekte Mischung für Gartenschauen. (Foto: Till Hofmann)
Nachhaltige Performer (C-CR-Strategen)
Den vorgenannten CR-Strategen der Performer ließen sich die mehr dem Platzhirsch zugeneigten C-CR-Strategen als „Nachhaltige Performer“ hinzugesellen. Unter guten Standortbedingungen sind diese prächtigen Stauden sehr langlebig, bei zügiger Anfangsentwicklung. Unter Stress stagnieren sie, bei anhaltendem Stress „wachsen sie rückwärts“, um sich nach dessen Ende zügig wieder zu erholen.
Das Nachhaltige Performer-Duett Lythrum spp. und Bistorta amplexicaulis tönt allsommerlich laut um die Wette. (Foto: Till Hofmann)
Einige Sorten des Kerzen-Knöterichs (Bistorta amplexicaulis) ziehen bei ausdauerndem Trockenstress auf sonst guten Standorten sogar völlig ein, um dann bei einsetzendem Regen erneut auszutreiben und bis in den November zu blühen.
Weitere bekannte Vertreter sind Ruten-Weiderich (Lythrum virgatum), Phloxe (Phlox maculata, P. paniculata), Sonnenhüte (Rudbeckia laciniata) und die Chinesische Wiesenraute (Thalictrum delavayi) sowie Raublatt- und Amethyst-Astern (Symphyotrichum novae-angliae und S. ×amethystinum).
Aufrechte Performer (R-CR-Strategen)
Die verwandten R-CR-Strategen zeigen eher Sprinter-Qualitäten und sind als „Aufrechte Performer“ wüchsige Prachtstauden, die einer Pflanzung früh Struktur geben. Sie wollen aber gelegentlich geteilt werden oder sich versamen, um langfristig im Beet zu verbleiben. Beispiele sind: Kardinals-Lobelie (Lobelia siphilitica), Kaschmirdolde (Ligusticopsis wallichiana, syn. Selinum wallichianum), Kandelaber-Königskerze (Verbascum olympicum) und Rispiger Rittersporn (Delphinium exaltatum).
Wüchsige Spezialisten (CS-Strategen)
Hier vereinen sich zwei Strategien, die eigentlich im Widerspruch zueinander zu stehen scheinen. Zum einen sind es die Tugenden der Spezialisten, die ihre auf spezifische Standorte bezogene Stresstoleranz auf eher ressourcenlimitierten, also zumeist mageren Böden zeigen. Auf der anderen Seite vereint diese Gruppe eine auf Langlebigkeit und die Produktion von Biomasse abzielende Strategie der Platzhirsche, die eher auf guten Böden zuhause sind. Heraus kommen dankbare und langlebige Stauden für viele Gartenbereiche und zunehmend trockenere Wetterlagen. Sie benötigen eine gewisse Zeit zur Entwicklung und wollen keine starke Konkurrenz. Außerhalb von Trockenperioden, in denen nicht oder kaum gewässert werden sollte, wird es ohne Limitierung stärkerer Pflanzpartner oder Sprinter also nicht gehen. Störungen wie Teilen und Versetzen sind den „Wüchsigen Spezialisten“ eher fremd, sie benötigen generell kaum Pflege, nur der Standort muss stimmen.
Wüchsige Spezialisten koexistieren auf passendem Standort und sind dann sehr pflegearm und dauerhaft, hier Asclepias tuberosa subsp. interior, Amorpha, Ruellia und Eryngium yuccifolium. (Foto: Till Hofmann)
Typische Wüchsige Spezialisten für sonnige Standorte sind Amsonie (Amsonia hubrichtii), Bergenien (Bergenia spp.), Berg-Laserkraut (Laserpitium siler), Teppich- Myrten-Aster (Symphyotrichum ericoides var. prostratum ‘Snow Flurry’), Graublättrige Aster (Galatella sedifolia ‘Nanus’) und am Wasserrand die Sumpf-Dotterblume (Caltha palustris). In absonnigen bis schattigen Bereichen sind bekannte Arten und Sorten: Purpurglöckchen (Heuchera villosa var. macrorrhiza), Bleiwurz (Ceratostigma plumbaginoides), Palmblatt-Nieswurz (Helleborus foetidus), Elefantenrüsselfarn (Dryopteris atrata) und Maiglöckchen (Convallaria majalis).
Typisches Bild einer kaum noch zu pflegenden Pflanzung: Der Wüchsige Spezialist (CS) Salvia officinalis kann hier durch unpassende Spezialisierung und mangels Stress dem Konkurrenzdruck durch die ausläufertreibenden Ausgeglichenen (CSR) kaum begegnen. (Foto: Till Hofmann)
Starkwüchsige Spezialisten (C-CS-Strategen)
Starkwüchsige Spezialisten ähneln mehr den Platzhirschen und benötigen wie diese länger, um sich auf geeigneten Standorten langfristig zu etablieren. Bei Stressaufkommen stellen beide zunächst ihr Wachstum ein und stehen das eine gewisse Zeit durch. Allerdings sehen die „Starkwüchsigen Spezialisten“ hiernach deutlich besser aus, da Wachstumspausen bei den Spezialisten stets eingeplant sind.
In den Sortimenten sind sie gut vertreten von eher trockenen bis zu frischen und sogar feuchten Standorten: Balkan-Bärenklau (Acanthus hungaricus), Hanfblättriger Eibisch (Althaea cannabina), Amsonien (Amsonia tabernaemontana subsp. salicifolia und A. illustris), Astern (Symphyotrichum lateriflorum var. horizontale, S. ×amethystinus ‘Kylie’), Platanenblättrige Ramie (Boehmeria platanifolia), Lampenputzergras (Pennisetum alopecuroides), Brandkraut (Phlomis russeliana), Funkien wie Hosta plantaginea, Sumpf-Seidenpflanze (Asclepias incarnata), Actaea (Syn. Cimicifuga) ramosa, Hohes Pfeifengras (Molinia caerulea subsp. arundinacea) und Gestieltblättriges Schaublatt (Rodgersia podophylla).
Wüchsige und Starkwüchsige Spezialisten, wie Imperata cylindrica var. koenigii ‘Red Baron’, Sesleria sp. (CS) und Artemisia ludoviciana (C-CS), koexistieren mit Spezialisten für extreme Standorte wie Bouteloua gracilis (S-CS) und sind sehr pflegearm und dauerhaft. (Foto: Till Hofmann)
Spezialisten für extreme Standorte (S-CS-Strategen)
In dieser Gruppe der konkurrenzschwachen, aber vergleichsweise Wüchsigen Spezialisten befinden sich echte Standortspezialisten, die im Vergleich zu den echten Spezialisten einen höheren Zuwachs zeigen und Letztere sogar verdrängen können. In den Sortimenten finden wir Vertreter für extrem trockene bis feuchte Sonnenstandorte sowie eher frische Standorte im Halbschatten bis Schatten.
Typische Spezialisten für extreme Standorte sind die anspruchslosen Bärenfell-Schwingel (Festuca gautieri), Magellan-Stachelnüsschen (Acaena magellanica) und Garten-Silberwurz (Dryas ×suendermannii), außerdem Rippenfarn (Blechnum spicant) zu Rhododendron, Wiesen-Schaumkraut (Cardamine pratensis) auf feuchten humusreichen Wiesen, Fetthenne (Sedum floriferum ‘Weihenstephaner Gold’) für Dachbegrünung, Blaukissen (Aubrieta ×cultorum ‘Blaumeise’) für Hänge und Mauerkronen sowie Goldene Segge (Carex aurea) und Schwalbenwurz-Enzian (Gentiana asclepiadeae) für eher frische bis feuchte Böden in teilbeschatteten Beeten.
Mit Spezialisten für extreme Standorte (S-CS) lassen sich niedrige und dauerhafte Wiesen kreieren. Hier Armeria latifolia (S), Carex digitata und Seseli montanum.
Ausgeglichene (CSR-Strategen)
Die deutlich größte Gruppe in den Sortimenten der Staudengärtnereien sind die „Ausgeglichenen“, also Stauden, die keiner Strategie allein den Vorzug geben.
Auch wenn Milium effusum ‘Aureum’ und Geranium phaeum eher für ihre Tendenz zur Versamung gelobt werden, zählen sie zu den Ausgeglichenen (CSR), wie auch Tellima grandiflora. Diese Pflanzung im frischen Halbschatten ist langlebig, wobei sich das Gold-Waldgras dank des geringeren Wasserbedarfs unter Trockenstress ausbreitet, während auf diesem sehr frischen Standort sonst der Braune Storchschnabel begünstigt wird. (Foto: Torsten Matschiess)
Viele Vertreter dieser Gruppe bilden bodennahe Blattmasse wie Blattrosetten aus und tolerieren aus diesem Grunde gewisse Störungen, wie Rückschnitt oder eine Mahd. Das prädestiniert sie für wiesenartige Pflanzungen mit einem Rückschnitt nach der ersten Blüte. Außerdem verfügen sie über eine gewisse ökologische Toleranz und gedeihen nicht nur unter optimalen, sondern auch unter abweichenden oder schwankenden Bedingungen.
Ihr Wachstum ist durchgehend gleichmäßig und nie sehr hoch. Sie sind das Rückgrat vieler Wiesen, die gelegentlich vergessenen Arbeitstiere der Matrix-Pflanzungen, und sie übernehmen häufig nicht mehr gepflegte Staudenpflanzungen aus Performern oder nicht standortangepassten Spezialisten.
Die Ausgeglichenen unter sich. CSR-Pflanzen erneuern sich durch die Mahd und bilden zusammen mit Performern blumenreiche Bestände. (Foto: Till Hofmann)
Typische Vertreter der Ausgeglichenen sind: Katzenminze (Nepeta ×faassenii), Zypressen-Wolfsmilch (Euphorbia cyparissias ‘Fens Ruby‘), Schafgarbe (Achillea millefolium), Pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia), Mazedonische Witwenblume (Knautia macedonica), Dichtblütige Betonie (Betonica hirsuta), Berg-Flockenblume (Centaurea montana), Mädesüß (Filipendula vulgaris), Frühlings-Primel (Primula veris), Wiesen-Salbei (Salvia pratensis), Frauenmantel (Alchemilla vulgaris), Schnittlauch (Allium schoenoprasum), Zittergras (Briza media), Große Sterndolde (Astrantia major), Rasen-Schmiele (Deschampsia cespitosa), Wiesen-Knöterich (Bistorta officinalis), Storchschnäbel wie Geranium phaeum, G. pratense und G. nodosum, Wiesen-Margerite (Leucanthemum vulgare), Koreanischer Wiesenknopf (Sanguisorba hakusanensis), Herzblättrige Schaumblüte (Tiarella cordifolia) und Purpur-Klee (Trifolium rubens).
In Pflanzungen meist unerwünscht, weil unkontrollierbar, sind Löwenzahn (Taraxacum), Gänseblümchen (Bellis), Weiß-Klee (Trifolium repens), Kriechendes Fingerkraut (Potentilla reptans), Kriechender Hahnenfuß (Ranunculus repens) und Gundermann (Glechoma hederacea).
Ausgeglichene für magere Standorte (S-CSR-Strategen)
Bei diesen Ausgeglichenen gibt es eine Tendenz, Stress besser zu bewältigen, was sie für wirklich magere und trockene Standorte prädestiniert. Hier finden wir viele niedrige Kissen- und Polsterstauden, beliebte Steingartenpflanzen, aber auch hochwachsende Stauden mit Rosetten. Aus ihnen lassen sich am passenden Standort ansehnliche und potenziell dauerhafte „Mini-Wiesen“ zusammenstellen.
Typische „Ausgeglichene für magere Standorte“ sind Katzenpfötchen (Antennaria dioica), Grasnelke (Armeria latifolia), Junkerlilie (Asphodeline lutea), Seggen wie Carex alba und C. digitata, Karthäuser-Nelken (Dianthus carthusianorum), Strandflieder (Limonium latifolium), Blumendost (Origanum laevigatum), Bergfenchel (Seseli montanum) und Woll-Ziest (Stachys byzantina) sowie viele andere.
Ausgeglichene zur Aussaat (R-CSR-Strategen)
Die Stauden dieser Untergruppe entwickeln sich schneller, höher und sind dabei kurzlebiger als die Hauptgruppe der Ausgeglichenen. Auch wenn man sie soweit möglich regelmäßig teilt, bevorzugen sie die Selbstaussaat auf frisch bearbeiteten Böden.
Zur Gruppe der „Ausgeglichenen zur Aussaat“ zählen wir: Weiße Königskerze (Verbascum chaixii fo. album), Sichelblättriges Hasenohr (Bupleurum falcatum), Russischer Natternkopf (Echium russicum), Nachtviole (Hesperis matronalis), Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium), Schwarze Königskerze (Verbascum nigrum), Purpur-Leinkraut (Linaria purpurea), Elsässer Haarstrang (Peucedanum alsaticum) und die Kardinals-Lobelie (Lobelia cardinalis).
Ausgeglichene für die Fläche (C-CSR-Strategen)
Die Stauden dieser Gruppe sind langlebig, von kräftigem, höherem Wuchs und durchaus durchsetzungsstark. Sie gelten als zuverlässige Stauden für eine eher flächige Verwendung bei relativ breiter Standortamplitude. Die frühblühenden Vertreter vertragen einen Rückschnitt nach der Blüte. An optimalen Standorten zeigen die folgenden „Ausgeglichenen für die Fläche“ durchaus Platzhirsch-Qualitäten: Balkan- und Armenischer Storchschnabel (Geranium macrorrhizum und G. psilostemon), Frauenmantel (Alchemilla mollis), Herbst-Anemone (Anemone hupehensis), Wild-Aster (Aster ageratoides), Seifenkraut (Saponaria officinalis), Rosa Mädesüß (Filipendula rubra ‘Venusta Magnifica’), Japan-Waldgras (Hakonechloa macra), Zitronen-Taglilie (Hemerocallis citrina), Straußfarn (Matteuccia struthiopteris) und Rauling (Trachystemon orientalis).
Anmerkungen
Sie werden nun einige Strategiegruppen vermissen. Zum einen liegt das daran, dass diese Kombinationen eher selten sind und/oder keine Relevanz für den Garten besitzen bzw. schlicht zu wenig eindeutig von den genannten Gruppen abgrenzbar sind. So könnten die CR-CSR-Strategen auch der Gruppe der Ausgeglichenen (CSR) zugewiesen werden.
Auf das Problem steriler Cultivare von Sprintern und Performern möchten wir im Zusammenhang mit der Pflege in einem späteren Artikel eingehen.
Generell betrachten wir nur die perennierenden Pflanzen, also die Gruppe der Stauden, welche zumeist die mittleren Areale des Grime-Dreiecks bevölkern (CSR), jedoch mit vielerlei artspezifischen Neigungen zu einem der Grundverhaltensmerkmale an den Polen neigen können.
Es sei noch darauf hingewiesen, dass das Strategietypenmodell auf der Grundannahme basiert, dass die jeweilige Strategie als fixe genetische Disposition zu verstehen ist. Diese erweist sich auf verschiedenen Standorten und Lebenssituationen verständlicherweise unterschiedlich erfolgreich. Am Beispiel der Platzhirsche Große Brennnessel und Gemeiner Giersch ist zu erkennen, dass die Positionierung im Dreieck nur unter standardisierten Bedingungen ein eindeutiger Punkt in der C-Ecke für Dominanzverhalten ist. Dieses überwiegt auf typischen Gartenstandorten derart, dass andere Strategiepotenziale kaum ins Gewicht fallen. Auf einem anderen Standort mit speziellen Störungs- und Stresspotenzialen kann das ganz anders aussehen.
Stressgewohnte Spezialisten aller Couleur neigen auf überversorgten Böden zum Kippen und zur Kurzlebigkeit. (Foto: Till Hofmann)
Beliebte Irrtümer
Spezialisten und Wüchsige Spezialisten werden so regelmäßig wie voreilig als potenzielle Gewinner der Klimaerwärmung beschrieben. Angesichts der in einigen Regionen stark nachlassenden Niederschläge wurde in vielen Pflanzungen der jüngsten Zeit verstärkt und oft ausschließlich auf Stresstoleranz gesetzt. Dabei wird gerne übersehen, dass ein solches Konzept auf produktiven Böden spätestens beim Wiedereinsetzen der üblichen Niederschläge zu einem Überangebot führt, das Platzhirsche mästet und bei offenen Böden auf die eingelagerten Samenbanken der Sprinter und Performer zurückgreift. Am Niederrhein zum Beispiel erleben wir nach einigen sehr trockenen Jahren plötzlich wieder übliche Niederschlagsmengen, wenn auch in Verbindung mit Starkregenereignissen. Die Bürger klagen plötzlich über Unkraut und so manche auf Stress abgestimmte Pflanzung lernt plötzlich die Wucht von Wildkraut kennen. Der Pflegeaufwand schnellt massiv in die Höhe.
Die Autoren
Till Hofmann kultiviert mit seiner Frau Fine Molz in Rödelsee Stauden für die Zukunft.
Torsten Matschiess plant Gärten, hält Vorträge und schreibt über Pflanzenverwendung.
Weiterführende und zitierte Literatur
Grime, John Philip: Plant Strategies and Vegetation Processes. Wiley und Sons, Chichester, 1979
Schmidt, Cassian: Ökologische Strategien und Staudenpflege. „Gartenpraxis“ 3/2006
Kühn, Norbert: Neue Staudenverwendung. Eugen Ulmer Verlag, 2011
Reif, Jonas; Christian Kreß: Blackbox-Gardening, Eugen Ulmer Verlag, 2014
Hofmann, Till und Torsten Matschiess: Und es wächst doch! Gräfe und Unzer Verlag, 2018
Web-Tipp
„Die Staudengärtnerei“ hat ihr gesamtes Sortiment mit Informationen der Strategietypen versehen. Andere haben diese Information leider wieder depubliziert. www.die-staudengaertnerei.de
Das Square Foot Border (Foto #1) stammt vom niederländischen Planer John Schoolmeesters www.schoolmeesters.com
Dieser Artikel erschien in gedruckter Form im Oktober 2021 in Ulmers Pflanzenmagazin – Gartenpraxis. Er ist dort als PDF verfügbar.
Update 12.12.2021: In einer früheren Version wurde der Blumendost (Origanum laevigatum) Purpur-Dost benannt, was aber leider zu Verwechselungen mit verschienen Arten von Eutrochium (syn. Eupatorium) führen kann.
Update 06.02.2023: Gemäß den internationalen Nomenklaturregeln wird bei Hybriden das Multiplikationskreuz (×) hochgestellt und ohne Leerzeichen vor das Artepitheton, bei Gattungsbastarden vor den Namen gestellt. Beispiele: Aubrieta ×cultorum ‘Blaumeise’ oder ×Alcalthaea suffrutescens 'Parkfrieden'.
▲ Theorie und gärtnerische Praxis ► Gartengestaltung
Diese Seite ist Teil einiger Informationsseiten mit gärtnerischem Fachwissen und Meinungsbeiträgen (Blog). Sie dienen dem Interesse an der Arbeitsweise des Gartenplaners Torsten Matschiess und seinem Studio für Pflanzplanung und Gartengestaltung. Die Seiten werden laufend erweitert. Weitergehende Informationen finden Sie im Gartenratgeber und SPIEGEL-Bestseller "Und es wächst doch!", sowie im ebenfalls preisgekrönten "Avantgardening: Plädoyer für gegenwärtiges Gärtnern" über naturalistische Gartengestaltung und die erfolgreiche Erschließung großer Gärten.