Stachelige Gärten - Kolumne
24. Mai 2023 - Sie kennen das bestimmt auch. Ich spüre es oft im Rücken, mal in den Knien und nicht selten ist auch mein Nacken betroffen. Die Rede ist von Gartenarbeit, sehr intensiver, oft dreckiger Gartenarbeit und ihren Folgen. Natürlich hat sie auch ihre zumeist angenehmen Nebenwirkungen, wie das Auftanken von Sonne und guter Laune, die interessanten Neuigkeiten aus den Gesprächen mit Nachbarn oder die Steigerung des Vitamin D-Spiegels. Und nichts liegt mir ferner, als über die Folgen des Jätens, des Umgrabens oder des Rückschnitts zu klagen. Allerdings habe ich jüngst mal wieder eine andere Art der Garten-Tortur kennengelernt: Kakteen. Sie gelten allgemein als Zimmerpflanzen, denen es in unseren Gärten viel zu kalt ist. Dabei ist oft nicht die Kälte das Problem, sondern das Überangebot an Wasser in Form von Regen. Sehr viele Kakteen - und die ihnen teilweise ähnelnden Wolfsmilchgewächse - kommen sehr gut mit unserem Klima zurecht, wenn ihnen im Garten die richtigen Standorte zugewiesen werden. Oft sind das eh jene Standorte, wo nichts anderes gedeihen will. Versuchen Sie einmal einen Dachüberstand an der Südseite eines Hauses zu begründen. Es gibt nicht viele Pflanzen, die in voller Sonne bei so wenig Regen gedeihen oder auch nur überleben. So auch in meinem aktuellen Projekt, einem Garten mit Kübeln und Pflanzflächen, die kaum je Regen abbekommen. Während ich also einen stattlichen Zylindrischen Feigenkaktus mit Namen Cylindropuntia imbricata entpackte, streifte mein ungeschützter Handrücken nur leicht eine Opuntia scheeri.
In diesem Augenblick dachte ich daran, wie harmlos der kleiner Pikser von der absolut frostharten Echinocereus coccineus vorhin doch war. Erst durch meine kleine Lupe konnte ich ihn erkennen: den Wald feinster Stacheln*, die nun kitzelnd auf meinem Handrücken standen. Sollte ich nun direkt zum Arzt fahren oder einfach warten, bis die Stacheln (Sensible Gemüter bitte kurz überspringen!) herauseitern würden? Da ich allein auf der Baustelle war, jammerte ich noch etwas herum und beschloss, zukünftig immer eine saubere Pinzette in meiner Werkzeugtasche zu führen.
Hierzu passt hervorragend das Buch „Echte Bäume weinen nicht“ vom niederländischen Autor und Gärnter Gerbrand Bakker. Er wendet sich mit spitzer Feder gegen die grassierende, fast anti-aufklärerische Naturseligkeit einer gefühlten Mehrheit, die nach all dem wohligen Wald-Baden kaum noch Wald von Forst unterscheiden kann. Wer die Zukunft der Gartenkultur in Blühstreifen, romantischen Wiesenmischungen und Bienenhotels erkennt, sei vor der Lektüre allerdings ausdrücklich gewarnt.
*) PS: Cylindropuntia imbricata, Echinocereus coccineus und Opuntia scheeri bilden, anders als es der Titel vermuten lässt, keine Stacheln sondern Blattdornen aus. Bei Rosen ist es umgekehrt. Sie haben Stacheln und keine Dornen.
Kakteen-Experten finden Sie seit über zweihundert Jahren in der Kakteen-Gärtnerei von Ulrich Haage in Erfurt.
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▲ Übersicht der Gartenkolumne "In meinem Garten"
Die Kolumne „In meinem Garten“ erscheint seit August 2018 sechsmal im Jahr im Magazin "Im Garten". In der Kolumne schildert Gartenplaner Torsten Matschiess Erlebnisse aus dem Alltag der Gartengestaltung. Alles dreht sich um Pflanzen, ihre Verwendung und empfehlenswerte Bücher über das Gärtnern. Sie erhalten das Magazin kostenlos in vielen Raiffeisenmärkten, Volks- und Raiffeisenbanken sowie Gartenfachmärkten.