Standortgerechte Staudenverwendung
Pflanzen verfolgen individuelle Konzepte des Überlebens, entweder indem sie selbst alt werden oder indem sie für reichlich Nachwuchs sorgen. Wer das breite Spektrum der Pflanzen im Garten verwendet, bekommt es mit verschieden schnellen, dynamischen Prozessen zu tun. Im besten Fall ergänzen sich diese Prozesse. Allerdings nützen diese Potentiale nichts, wenn Pflanzen nicht gemäß ihrer Bedürfnisse an den richtigen Standort gepflanzt werden. Als Orientierung kann immer der Naturstandort der einzelnen Art dienen. Stauden, die immer in Ufernähe von Fließgewässern vorkommen, dürften sich kaum in einer Magerwiese wohl fühlen. Zwiebelgewächse aus sommertrockenen Gebirgslagen dürften im ständig frischen Lehmboden an der Nordwand eines Gebäudes kaum glücklich werden. Das typische Klagelied, dass eine bestimmte Staude in einem bestimmten Garten nicht gedeiht, liegt oft am ungeeigneten Standort.
Der Bereich unter eingewachsenen Gehölzen kann sehr nachhaltig bepflanzt werden, denn hier ändern sich die Bedingungen nur noch sehr langsam. Problematisch wird der Standort erst, wenn Gehölze ausfallen.
Die Freifläche bietet eine außergewöhnliche Fülle an Gestaltungsmöglichkeiten, da die Staudensortimente neben Farben- und Formenvielfalt auch jede Höhe bedienen. So gibt es wahre Himmelsstürmer.
Lebensbereiche der Stauden als Gartenstandorte
Eine für den Standort optimierte Gartenplanung ist die Spezialität vom Studio Torsten Matschiess.
Um nicht zu jeder Pflanze individuelle Informationen parat haben zu müssen, gibt es eine Systematik der Gartenstandorte. Grundsätzlich teilt diese den Garten nach dem Vorbild Natur in bestimmte, ähnliche Lebensbereiche der Stauden. Aus Wald und Waldrand werden die Lebensbereiche Gehölz (G) und Gehölzrand (GR). Die Freiflächen (Fr) werden ergänzt um Steinanlagen (ST) und dem gerne übersehenen Alpinum (A), sowie dem Beet (B), das als künstlich kultivierter Lebensraum konstant sonnig, sowie gleichmäßig mit Nährstoffen und Wasser versorgt werden muss. Er ist deswegen arbeitsintensiver. Dann gibt es noch die Bereiche Wasser (w) und Wasserrand (WR).
Um die Gärnter:innen-Ausbildung etwas attraktiver zu machen, wurde das System jüngst weiter ausdifferenziert. Zu den Freiflächen gibt es nun solche mit Steppenheidecharakter (FH) und Heidecharakter (H), sowie bei den Steinanlagen die Felssteppe (FS), Mauerkrone (MK), Matten (M) und Steinfuge (SF).
Dann hat man erkannt, dass es anspruchsvolle Stauden gibt, die eigentlich in die Kategorie Beet gehörten, aber von den Gärntern immer noch oder neuerdings in der Freifläche verwendet werden. Dort beötigen sie natürlich mehr Pflege als die üblichen Stauden für die Freifläche. In diesem Fall wird das Lebensbereichkennzeichen
um ein b gergänzt. Statt B2 schreiben wir dann Fr2b. ;-)
In vielen Gärtnereien und der Literatur haben sich diese Abkürzungen zusammen mit Feuchtezahlen weitestgehend etabliert. Fr1 steht für Freifläche mit trockenem Boden, GR2 für einen frischen Gehölzrand und B3 für ein Beet mit feuchtem Boden. (Ein Artikel über den Lebensbereich Carport ist in Vorbereitung.)
Auf beiden Fotos sehen wir Rasen-Schmiele und einen Kiri-Baum. Zwischen beiden Fotos liegen nur 5 Jahre, in denen der Blauglockenbaum beachtlichen Zuwachs hatte. Nun sorgt er für Beschattung.
Unter der zunehmenden Beschattung und dem Wurzeldruck des Blauglockenbaums leidet die verbliebene Rasen-Schmiele (Mitte rechts). Als Folge des Stresses lagert sie. Im Folgejahr wurde sie ersetzt.
Abweichungen verursachen Stress und Arbeit
Eine Abweichung in der Verwendung verursacht bei der Pflanze ständigen Stress, der durch gärtnerische Maßnahmen kompensiert werden muss. Sofern das überhaupt möglich ist. Wer eine Waldrandstaude wie die Japanische Prachtspiere, die bereits im Halb-/Schatten einen frischen bis feuchten Standort verlangt, in die volle Sonne pflanzt, sollte einen Platz wählen der permanent feucht ist und bei Bedarf wässern, denn sonst wächst sie rückwärts.
Es gibt zahlreiche Geschichten, dass eine Art auch unter ganz anderen Bedingungen gedeihen kann. Das beobachten wir auch in der Natur, wenn bestimmte Stauden an Stellen oder in Pflanzengesellschaften gedeihen, wo wir sie nicht vermutet hätten. Das zeigt uns, dass wir einen Standort immer nur annähernd verstehen können, aber nicht bis in die feinsten Details. So gibt es Nischen von Mikrostandorten, die aber grundsätzlich die Vorteile einer standortgerechten Staudenverwendung nicht infrage stellen. Ihre Beachtung in der Pflanzplanung bildet neben der Berücksichtigung von Geselligkeit und Strategietypen die wichtigste Voraussetzung für eine möglichst nachhaltige und arbeitsarme Pflanzung.
Sukzession sorgt für Veränderung
Für mehr Laissez-faire im Garten sorgt eine Gartenplanung vom Studio Torsten Matschiess.
Für die ständige Veränderung eines Gartenbereichs sorgt regelmäßig der Zuwachs von Gehölzen, also die für unserer Breitengrade zumeist typische Entwicklung vom Brachland zum Wald (Sukzession). In ihrer Nähe nehmen Beschattung und Wurzeldruck, also die Konkurrenz um Wasser und Nährstoffe ständig zu. Ein eigenes Kapitel von "Und es wächst doch!" widmet sich dem Thema Sukzession in der Pflanzplanung und stellt zahlreiche Stauden vor, die diese Veränderung langfristig mitmachen.
▲ Theorie und gärtnerische Praxis ► Gartengestaltung
Diese Seite ist Teil einiger Informationsseiten mit gärtnerischem Fachwissen und Meinungsbeiträgen (Blog). Sie dienen dem Interesse an der Arbeitsweise des Gartenplaners Torsten Matschiess und seinem Studio für Pflanzplanung und Gartengestaltung. Die Seiten werden laufend erweitert. Weitergehende Informationen finden Sie im Gartenratgeber und SPIEGEL-Bestseller "Und es wächst doch!", sowie im ebenfalls preisgekrönten "Avantgardening: Plädoyer für gegenwärtiges Gärtnern" über naturalistische Gartengestaltung und die erfolgreiche Erschließung großer Gärten.